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Fußball - mehr als nur Sport

Rückansicht eines Fußballers, der einen Ball spielt

Fußball ist der Sport in Deutschland. Rund 30 Millionen Menschen fiebern jedes Wochenende mit ihrem Verein in Deutschland oder auch international mit, wenn ihr Team um wichtige Punkte im Kampf um Meisterschaft, das internationales Geschäft oder gegen den drohenden Abstieg spielt. Jendrik Peters von der VHS Lengerich ist einer von ihnen. In diesem Blogpost beschreibt er, wie das Thema Fußball in einer Vortragsreihe zur anstehenden WM umgesetzt wurde.

  Neben der sportlichen Seite hat der Lieblingssport der Deutschen auch eine politische Seite, die spätestens mit WM-Austragungsorten wie Russland und Katar für jeden Fan greifbar wurden. Auch die Montagsspiele, die in der vergangenen Saison fünfmal stattgefunden haben, stehen in einem politischen Kontext und sorgen für viel Unmut bei den Fans, was nicht selten in Form von Boykott von Spielen oder zumindest in der Stimmung im Stadion sichtbar wurde. Fangruppen sind sensible Abbilder der Gesellschaft und Ultras nicht gleich Hooligans. Es ist wichtig, neben sportlichem Ehrgeiz auch über den Tellerrand hinauszuschauen und den Fußball als komplexes Thema zu begreifen, das – auch wenn es Fangruppen oft anders darstellen – sehr wohl politisch ist.  

Tribüne als Abbild der Gesellschaft

Ich selbst stehe regelmäßig auf Europas größter Stehplatztribüne, der Südtribüne in Dortmund. Während auf dem Platz der Ball rollt und 22 Spieler versuchen, ihr Bestes zu geben, passiert auf der Tribüne vor allem eines: Gemeinschaft. Die Leute im Block kennen sich, sehen sich alle zwei Wochen und wissen, heute ist wieder Fußball. Da ist es ganz egal, ob ich Anwalt oder arbeitslos bin – wenn Spieltag ist, werden mögliche soziale Grenzen überwunden und verschwinden für mindestens 90 Minuten im sportlich-sozialen Grundrauschen des Stadions und der Tribüne.  

Tribüne in einem Fußballstadion mit Fans und Fahnen

Über Ultras und Hooligans 

„In der Hooligan-Szene sind auch Banker unterwegs“, sagte kürzlich ein Fan bei einem Vortrag von Peter Römer, wissenschaftlicher Volontär der Villa Ten Hompel in Münster, der den Auftakt einer Veranstaltungsreihe der VHS Lengerich/Westfalen anlässlich der Fußball-WM in Russland bildete. Römer referierte dabei über Ultras und Hooligans und generell über Subkulturen in der deutschen und weltweiten Fanszene. Tauchten die ersten Hooligan-Bewegungen schon Anfang des 20. Jahrhunderts auf, fallen die Ultras eher in eine Zeit der frühen 1950er und 1960er, als sich erstmals „Fußballverrückte“ in Gruppen zusammenschlossen, um ihre jeweiligen Lieblingsmannschaften gemeinsam organisiert zu unterstützen. Bekannt sind Ultras vor allem durch die vielfältigen, attraktiven und aufwendigen Choreographien vor, während und manchmal nach dem Spiel und die Stimmungsmache im Block. Sie identifizieren sich mit ihrem Verein überdurchschnittlich stark und leben auch außerhalb des Spieltags die Liebe zum Verein.

Wenn Peter Römer an diesem Dienstagabend Ende Mai über beide Bewegungen spricht, ist ihm anzumerken, dass er ein „Kind der Kurve“ ist, wie er selbst sagt. Geboren in Hamburg gehört sein Herz von Beginn an dem FC St. Pauli. Mit Bildern aus historischen und aktuellen Zusammenhängen aus der Fanszene vor allem in Deutschland schafft es Peter Römer, eine Mischung aus wissenschaftlich fundierter Analyse und praxisnahem Erfahrungsbericht zu präsentieren, der in einer angeregten Fragerunde mündet. Aktuelle Entwicklungen im politischen Bereich verknüpft er gekonnt mit Bewegungen in der Fanszene und stellt Verbindungen dar. 

Fanclubs beteiligen sich an politischer Bildung

Mit einer Vortragsreihe im Bereich Fußball und Politik wollen wir als VHS Lengerich/Westfalen einen kleinen Bereich der politischen Seite des Sports intensiver beleuchten und freuen uns, dass auch zwei Fußball-Fanclubs unser Vorhaben unterstützen. Mit dem BVB-Fanclub „Lengericher Borussen“ und den „Rot-Weißen Augustinern“, einem FC-Bayern-Fanclub, werden zwei Fanclubs aktiv für die Veranstaltungen werben und die Karten für ihre Mitglieder günstiger anbieten. Dass Fanclubs sich im Bereich der politischen Bildung engagieren, ist selten und war so nicht zu erwarten. Die Anforderungen der großen Vereine an die Fanclubs werden jedoch zunehmend höher und Öffentlichkeitsarbeit spielt eine zentrale Rolle, wenn es um die Kartenvergabe der Fanclubs geht. „Es gibt ein Ranking, wo Fanclubs nach gewissen Kriterien bewertet und eingeordnet werden“, berichtet Norman Schulz von den Lengericher Borussen. „Der Verein sieht das gerne, wir werden den Flyer auch an das Magazin des FC Bayern schicken“, schließt sich Kai Rücker von den Rot-Weißen Augustinern an.

Keine Diskussion: „Wir machen mit“

„Das war für uns kein Thema“, sagen Kai Rücker (Vorsitzender „Rot-Weiße Augustiner“) und Normann Schulz (Vorsitzender „Lengericher Borussen“) übereinstimmend auf die Frage, ob die Unterstützung eine große Diskussion ausgelöst habe. In beiden Vorständen sei das einstimmig entschieden worden. Dass beide Fanclubs mehr als nur Fahrten zu Fußballspielen organisieren, machen die Vorsitzenden deutlich. „Wir unterstützen soziale Projekte, das gehört fest zu unserer DNA und soziale Aktionen werden vom Verein gerne gesehen.“

Diesen Trend haben wir als VHS gerne aufgenommen und freuen uns auf eine spannende Reihe, bei der auch Martin Krauß von der Jüdischen Allgemeinen Zeitung aus Berlin sprechen wird. Wie wenig wir auch über 70 Jahre nach der Niederlage des Nationalsozialismus über die Realität in den Konzentrationslagern wissen, wird deutlich, wenn man sich mit dem Thema Sport im KZ beschäftigt: Fast in allen Lagern gab es Sportangebote: Fußballspiele, Boxwettkämpfe, Turnwettbewerbe, Handballturniere, und in Theresienstadt gab es sogar eine zweigleisige Fußballliga. 

historische Aufnahme eines Fußballspiels

Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis

Als Abschluss der Vortragsreihe wird der bekannte Buchautor und Fußball-Experte Dietrich Schulze-Marmeling über den FC Bayern, seine Juden und die Nazis referieren. Als der FC Bayern 1932 seine erste Deutsche Meisterschaft errang, waren etwa zehn Prozent seiner Mitglieder Juden. Der heutige Rekordmeister war ein weltoffener, liberaler Verein, in dem Juden einige Schlüsselpositionen besetzten. Zu nennen sind hier insbesondere der Präsident Kurt Landauer und der Meistertrainer Richard Dombi. Gut sieben Monate später wurde Hitler Reichskanzler und der Antisemitismus zur Staatsräson erhoben. Nun setzte ein Prozess der Nazifizierung ein, der die jüdischen Mitglieder aus dem Verein trieb. Mehr als 30 Bayern-Mitglieder wurden ermordet, in etwa der gleichen Zahl gelang die Emigration. 

Aktualität der Themen

Wenn wir über Fremdenfeindlichkeit reden und den Bogen zum Zweiten Weltkrieg spannen, wird schnell deutlich, welche Aktualität diese Themen besitzen. In Zeiten, wo die AfD zumindest gefühlt immer stärker und nachweisbar radikaler wird, ist es unsere Aufgabe als VHS, politische Bildung zu machen und den Menschen Möglichkeiten aufzuzeigen, sich über Vorgänge zu informieren. Wir können niemanden zwingen, Vorträge zu besuchen, aber wir können durch attraktive Themen in der Kombination Fußball und Politik Anreize setzen, sich mit dem Thema zu beschäftigen

Veranstaltet wird jeder Vortrag in der Lengericher Gempt-Halle, wo Mitte Juni das Public-Viewing der WM beginnt. Politische Bildung geht nur gemeinsam.

 

Jendrik Peters ist an der VHS Lengerich/Westfalen Fachbereichsleiter für die Bereiche EDV und berufliche Qualifikation, Gesundheit, Fitness und Ernährung sowie "Junge VHS".


Informationen zur Vortragsreihe

Titelblatt des Flyers zur Veranstaltungsreihe

Die nächsten Termine:

Donnerstag, 7. Juni 2018, 19.30 Uhr
Martin Krauß:
Fußball im Konzentrationslager

Dienstag, 12. Juni 2018, 19.30 Uhr
Dietrich Schulze-Marmeling:
Der FC Bayern, seine Juden und die Nazis

Zu den Veranstaltungen gibt es ausführliche Informationen in diesem Flyer, der hier auch heruntergeladen werden kann.


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