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Kompetenzen anerkennen – Was bewegt sich in Deutschland?

Die Anerkennung von informell und non-formal erworbenen Kompetenzen wird europaweit seit Jahren diskutiert. Laut EU-Ratsempfehlung (pdf) sollen alle EU-Mitgliedsstaaten bis spätestens 2018 Regelungen zur Validierung eingeführt haben. Um den aktuellen Stand der Kompetenzanerkennung in Deutschland ging es bei der Fachtagung „Kompetenzen erkennen und anerkennen“, die von der Bertelsmann Stiftung und dem Kolpingwerk Deutschland am 15.09.2016 in Frankfurt veranstaltet wurde. Rund 130 Teilnehmende folgten der Einladung, um zusammen mit Expert/inn/en aus Wissenschaft, Politik und Praxis zukünftige Wege zur Anerkennung beruflicher Kompetenzen zu diskutieren.  

Diskutanten der Veranstaltung "Kompetenzen anerkennen"auf einem Podium. Die Tagesordnung ist an die Wand projiziert.

Ein Panel auf der Fachtagung „Kompetenzen erkennen und anerkennen“ (Bild: Katrin Hülsmann/DIE, CC  BY-SA 3.0 DE)

Im internationalen Vergleich ist Deutschland aus Sicht von Frank Frick, dem Direktor der Bertelsmann Stiftung, „noch ein Entwicklungsland“. Da in Deutschland über 7 Millionen Menschen als „geringqualifiziert“ gelten würden, es einen wachsenden Bedarf an Fachkräften gebe und Zuwanderer mit nicht vergleichbaren Abschlüssen ins Land kämen, forderte Frick in seiner Keynote eine zügige Umsetzung von Anerkennungsverfahren. Es sei an der Zeit, endlich Gesprächspositionen zu verlassen und zu tatsächlichen Handlungen zu kommen.  

Auf der Fachtagung selbst stand das Gespräch im Mittelpunkt: Vertreter/innen u.a. aus der Politik, den Handwerks- und Handelskammern sowie der Wissenschaft diskutierten in zwei Fishbowl-Runden, wie die Anerkennung von Kompetenzen in Deutschland konkret ausgestaltet und auf den Weg gebracht werden könnte. Frank Claus vom Unternehmen IKU – Die Dialoggestalter moderierte durch den Tag und verstand es, die rund 130 Teilnehmenden sowohl über den persönlichen Kontakt als auch per E-Voting kontinuierlich an diesem Dialog zu beteiligen.

Die impulsgebenden Präsentationen von Frank Frick und Ottmar Döring (Forschungsinstitut Betriebliche Bildung, fbb) veranschaulichten die Reformbemühungen der vergangenen Jahre: Bundesweit existierten viele Projektinitiativen, welche die Validierung von Kompetenzen in Teilbereichen erprobten. In seiner Analyse der derzeitigen Situation stellte Ottmar Döring heraus, dass unter Politikern, Sozialpartnern und Vertretern der Kammern ein Konsens darüber bestehe, dass das bisherige System ausgeweitet werden müsse, der Dissens über die Konzeption und Reichweite notwendiger Veränderungen bis heute allerdings hartnäckig bestehen bleibe.

In den Fishbowl-Diskussionen bestätigte sich dieser Dissens ein weiteres Mal. Hinsichtlich des ungleich ausgeprägten Reformwillens wurde deutlich, dass die Akteure angesichts der aktuellen Situation unterschiedlich geduldig sind. Die Positionen der auf der Tagung vertretenen Expert/inn/en reichten von Fragen wie „Schaffen wir das?“ (Patricia Lips, MdB) über die klare Forderung „Wir müssen endlich mal machen“ (Gregor Berghausen, IHK) bis hin zu Mahnungen zur Umsicht „Wir brauchen keinen Aktionismus“ (Daike Witt, ZDH) und „Wir brauchen Geduld“ (Ottmar Döring, fbb).

Im Jahr 2018 wird ein sozialer Konsens benötigt. Auch wenn ein Systemwechsel in Deutschland nicht zu erwarten ist, wird sich das deutsche Berufsbildungssystem in Bewegung setzen müssen. Ohne Kompromisse bei allen beteiligten Akteuren wird es nicht gehen. 


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