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#refugeesWelcome an der FH Lübeck

Das Bild zeigt Hände bei der Eingabe am Laptop.

Hände (JaneMarySnyder / pixabay.com, CC0)

Onlinekurse an der FH Lübeck ermöglichen Geflüchteten schnellen Zugang zur Hochschule

 Im Jahr 2015 wurden mehr als eine Million neue Asylsuchende in Deutschland registriert, viele davon mit einem sehr hohen Bildungsstand. Auch wenn Status und Bleibeperspektive häufig noch ungeklärt sind, stellt sich vielen Geflüchteten die Frage, wie der Einstieg in ein Studium an einer deutschen Hochschule gelingen kann. Auf dem Portal integration.oncampus.de bieten die Fachhochschule Lübeck und ihre Tochter oncampus Geflüchteten seit Oktober 2015 einen sehr unbürokratischen und direkten Zugang in das Hochschulsystem. Es werden lediglich ein Laptop, Tablet oder Smartphone und Zugang zum Internet benötigt, um an den Kursen in englischer, deutscher und teils arabischer Sprache teilnehmen zu können.

 

Einfacher und flexibler Einstieg in das deutsche Hochschulsystem

Das Portal integration.oncampus.de umfasst creditfähige Kurse (Kurse mit ECTS Anrechnungspunkten) aus Fachhochschulstudiengängen und zusätzliche Online-Weiterbildungsangebote in diversen Formaten und von verschiedenen Kooperationspartnerinnen und -partnern. Die Einschreibung in die Kurse erfolgt unbürokratisch per Selbstregistrierung und ohne Bedingungen wie Nachweise oder Zeugnisse. Es wird lediglich eine E-Mail Adresse, ein Facebook- oder Google-Account benötigt.

Ziel des Portals ist es, mit einem breiten Portfolio an Online-Angeboten Geflüchteten den Übergang in das deutsche Bildungssystem ohne Zeitverlust durch formale Nachweise zu ermöglichen und den Zugang zum im Ausland weitgehend unbekannten deutschen Fachhochschulsystem und die damit verbundene besondere Berufsbefähigung zu schaffen. Ein flexibles, orts- und zeitunabhängiges Online-Lernen kommt dabei besonders der Gruppe der Neuankömmlinge entgegen, die häufig mit unsicheren Perspektiven hinsichtlich des dauerhaften Wohnortes konfrontiert sind und aufgrund fehlender Nachweise komplexe und langwierige Zulassungsprozesse zum Studium durchlaufen. Durch Digitalisierung öffnet sich die FH Lübeck mit ihrer Tochter seit 1997 konsequent für nicht-traditionelle Zielgruppen; daher stand auch schnell fest, dass ein digitales Angebot für Geflüchtete geschaffen werden soll.

Screenshot integration oncampus (nicht unter freier Lizenz)

Screenshot integration.oncampus (nicht unter freier Lizenz)

Breites Online-Kursangebot, sogar mit Hochschul-Credits

Mit den Modulen „Marketing and empirical social research“, „E-Business Management“, „Management and Leadership“ sowie „Start-Up Management“ konnten bereits vier anrechenbare creditfähige Angebote durchgeführt werden. In diesen Kursen lernen die Teilnehmenden mit einem hohen Anteil an Selbststudienmaterial, werden aber zusätzlich durch digital und interkulturell erfahrene Fachmentorinnen oder -mentoren als auch durch andere Studierende unterstützt, mit denen der Austausch in Foren und Arbeitsgruppen möglich ist. Die Kursbetreuenden bieten regelmäßige Webkonferenzen an, um in Interaktion mit den Teilnehmenden zu treten. Durch verschiedene Aufgabenformate wird eine intensive Kompetenzentwicklung gefördert und die Lernmotivation gesteigert. Die Kurse schließen mit einer regulären Klausur ab, für die zur Überwindung räumlicher und zeitlicher Barrieren ein ortsunabhängiges Prüfungsverfahren eingeführt wurde. Dies ist auch eine Option, um Teilnehmenden in den Krisengebieten einen erfolgreichen Erwerb von Credit Points zu ermöglichen. Da integration.oncampus.de Module aus einem aktuellen deutschen Fachhochschulstudium anbietet, können die erworbenen Leistungsnachweise von anderen europäischen Hochschule auf inhaltlich passende Studiengänge anerkannt werden. Weiterhin stehen Online-Weiterbildungskurse zur Verfügung, die sich besonders zur Gewinnung eines ersten Einblicks in die Inhalte eines deutschen Fachhochschulstudiums sowie zur Verbesserung von Sprachkenntnissen innerhalb des entsprechenden Fachgebiets eignen. Sie umfassen englischsprachige und deutschsprachige Kurse aus den Bereichen Wirtschafts- und Ingenieurswissenschaften sowie IT. Hinzu kommen Kurse zur Unterstützung des Erwerbs der deutschen Sprache, zur kulturellen Orientierung und zur Durchführung von Changeprojekten.

 

Innovatives kontrastives Sprachtraining

Neu entwickelt hat die FH Lübeck in Zusammenarbeit mit dem Linguistik-Professor Jürgen Handke und dem Virtual Linguistics Campus Marburg den MOOC „Aussprachetraining für syrische Deutschlerner“. Der MOOC #DEU4ARAB ist ein hochskalierbarer, offener und jederzeit durchführbarer Online-Kurs, der den ankommenden Asylbewerbern unmittelbar eine kostenlose Sprachausbildung ermöglicht. Der Kurs läuft geräteunabhängig auch auf Smartphones und Tablets. Besonderes Merkmal ist die Konzeption als kontrastives Sprachtraining, bei dem auf der Basis der arabischen Muttersprache die speziellen Anforderungen für das Deutschlernen ermittelt und viel gezielter bearbeitet werden, als es im traditionellen Klassenraum mit Schülern verschiedener sprachlicher Herkunft möglich wäre. Für das Projekt wurden fast 50 kontrastive Lehrvideos in arabischer Sprache mit deutschen Untertiteln produziert, die sich Phonem für Phonem die deutsche Sprache unter Vergleich mit dem syrisch-arabischen Lautsystem vornehmen. Die Projekte #DEU4ARAB und integration.oncampus.de wurden im Dezember 2016 mit dem „Innovationspreis“ des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung ausgezeichnet.

 

Chancen und Herausforderungen in der Umsetzung

Wesentliches Ziel aller Aktivitäten ist es, möglichst früh mit der Zielgruppe der Geflüchteten zusammen zu kommen und ihre Bedürfnisse direkt kennenzulernen. Aktives Engagement im Portal wie auch in Social Media Kanälen ermöglicht es, gezielt auf die Zielgruppe und die Multiplikatoren zuzugehen und einen aktiven Austausch herzustellen. Die hohe Orientierung an den Bedürfnissen der neuen Teilnehmergruppe erforderte interne Prozessumstellungen in Bezug auf Kursorganisation, Lernmaterial, Marketingmaßnahmen und Betreuung. Um die in den Foren z.B. auf Arabisch geführten Diskussionen zu verfolgen, die Studierenden noch besser zu betreuen und potentielle Teilnehmende und Multiplikatoren durch eine gezielte Social Media Nutzung erreichen zu können, wurde ein arabisch sprechender Studierender eingestellt. Eine Anpassung der technischen Infrastruktur war unabdingbar. Als Herausforderung hat sich beispielsweise die Schaffung der in der arabischen Welt üblichen Bedienrichtung „von rechts nach links“ erwiesen. Auch wird kontinuierlich daran gearbeitet, die Inhalte noch besser auf Smartphones und Tablets darstellen zu können.

 

Erfolg und Ausblick

Derzeit (Februar 2017) sind für die Angebote für Geflüchtete mehr als 6600 Registrierungen erfolgt. Der Austausch zwischen den verschiedenen Kulturen wird ausdrücklich begrüßt. Die Nutzerinnen und Nutzer der Plattform befinden sich in Deutschland und angrenzenden Ländern, in den Herkunftsländern der Flüchtlinge, aber auch global verteilt in 30 anderen Ländern, was ein kollaboratives Lernen im Netz ermöglicht.

In Planung ist derzeit die Entwicklung neuer Kurse in Kooperation mit Partnern wie der „Flüchtlings-Uni“ Kiron, die sich ebenfalls für den schnellen und unbürokratischen Zugang von Geflüchteten an deutschen Hochschulen einsetzen und mit der die FHL seit Ende 2015 als Partnerhochschule kooperieren.

 

Der Artikel wurde uns durch die freundliche Unterstützung von oncampus und der Fachhochschule Lübeck zur Verfügung gestellt.

 

CC BY SA 3.0 DE by Linda Wulff für wb-web.de