Blog

Sie brauchen keine Vorkenntnisse – nur Motivation

Ein Mann steht auf einem Bergipfel.

Bergwandern (Unsplash / pixabay.com, CC0)

Ein Gespräch mit Valerie Mühlenburg, der Gründerin von the Connection. Der Verein unterstützt jugendliche Migrantinnen und Migranten durch erste Anstellung, Mentorenschaften und Kursangebote beim Einstieg in den Arbeitsmarkt.




wb-web: Bitte stellen Sie den Verein The Connection kurz vor.

Mühlenburg: Der Verein wurde vor fünf Jahren gegründet, ist in Wien tätig und hat Angebote in drei Bereichen:

  • Kaffeehaus, in dem regelmäßig fünf Jugendliche jeweils 6 Monate als Servicemitarbeiter tätig sind
  • Mentoringprogramm für Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren
  • Deutschkurse auf allen Niveaus und zusätzliche Kursangebote wie Bewerbungshilfe, Mathematik, Englisch, Computer- oder Finanzworkshops

Unser Ziel ist: „Integration durch Vernetzung“. Durch die Vernetzung der Geflüchteten über das Café oder die Mentorinnen und Mentoren sollen ihnen ähnlich gute Chancen wie einheimischen Jugendlichen geboten werden.

Das Bild zeigt ein Beratungsgespräch.

The Connection – Valerie Mühlenburg bei Beratungsgespräch (Copyright Valerie Mühlenburg)

wb-web: Arbeiten Sie mit Hauptamtlichen oder vorwiegend mit Ehrenamtlichen?

Mühlenburg: Wir haben einige wenige hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die insbesondere das Café betreuen und die Lernfabrik koordinieren, aber wir haben viele tolle Ehrenamtliche. Die Mentorinnen und Mentoren sind Ehrenamtliche, auch die Workshops werden von Ehrenamtlichen durchgeführt. Es sind Profis, die ihre Arbeit unglaublich toll machen. Ohne Ehrenamtliche würde es nicht gehen, und es fasziniert mich immer wieder, wie viele Menschen super Arbeit leisten. Der Computerkurs, zum Beispiel, wird von einem IT-Fachmann ehrenamtlich gehalten. Unsere DaF/DaZ-Trainerinnen unterrichten gerne bei uns, weil sie sich nicht so restriktiv an Sprachrahmen halten müssen, sondern viel mehr Freiheit haben und  sich auf den Spaß am Deutschlernen konzentrieren können. 

 

wb-web:  Wie kommen Sie zu der Auswahl an Kursen, die angeboten werden?

Mühlenburg: Begonnen haben wir mit den Sprachkursen und den Bewerbungstrainings, das war am wichtigsten. Mit der Zeit sind weitere Angebote dazu gekommen. Zum Beispiel der Finanzworkshop. Wir haben festgestellt, dass viele Jugendliche Probleme mit dem Umgang mit Geld haben. Zusammen mit der Zweiten Sparkasse wird einmal pro Semester ein Kurs angeboten, der nennt sich „I can“. Während des Workshops kommt es oft zu spannenden Diskussionen mit den Jugendlichen. Sie sagen z.B.: „Bei uns in Afghanistan werden alle eingeladen, ihr ladet niemanden ein!“. Im Workshop wird dann erarbeitet, dass ohne Geld eine Einladung schwierig ist, und es vielleicht eine Lösung sein könnte, zu sich nach Hause einzuladen und gemeinsam zu kochen. Jeder dokumentiert im Rahmen des Kurses auch für eine Woche die persönlichen Ausgaben in einem Haushaltsplan. Weiters bieten wir Computerkurse an. Die Jugendlichen können hervorragend mit Smartphones umgehen, aber wenn wir sie vor den Computer setzen, kennen sie sich nicht aus. Englischkurse: Wir haben festgestellt, dass viele nicht ausreichend Englisch konnten, um den Pflichtschulabschluss zu bestehen oder im Abendgymnasium zu folgen. Auch bei Mathematik besteht eine starke Nachfrage. Deshalb haben wir von der Individualnachhilfe auf einen „offenen Nachhilfe-Nachmittag“umgestellt. Wir hatten im letzten Semester auch viele nicht anerkannte Flüchtlinge bei uns, die „vorgelernt“ haben, weil sie wissen, dass sie Mathematik nicht können, aber brauchen werden. Unser neuestes Angebot heißt: „Plane deine Zukunft“. Eine Trainerin, die das sonst am freien Markt anbietet, stellt sich ehrenamtlich zur Verfügung und arbeitet mit den Jugendlichen am Erkennen der eigenen Kompetenzen und Ziele. Im Sommer bieten wir in der Sommerschule kompakte Lernworkshops + Zusatzangebote wie Foto-, Graffiti- oder Theaterworkshops an.

Der Hauptfokus liegt aber auf der Ausbildungs- und Arbeitssuche.


wb-web: Worin liegt die Stärke des Mentoringprogramms von „the Connection“?

Mühlenburg: Unser besonderer Fokus liegt auf der Ausbildung und dem Berufseinstieg. Natürlich freuen wir uns, wenn eine Freundschaft entsteht. Es soll eine persönliche Beziehung werden. Aber wir schauen auch bei der Auswahl  unserer „Buddys“ darauf, dass sie berufstätig sind, damit sie ein Netzwerk haben und auch wissen, wie man sich bewirbt. Wir haben auch viele Studierende, die den Jugendlichen Nachhilfe geben.

Wir bringen pro Semester etwa 30 Jugendliche mit Mentorinnen und Mentoren zusammen, die sie sechs Monate begleiten. Die Auswahl erfolgt durch die Leiterin des Mentoringprogramms, Interessierte füllen einen Fragebogen aus  (Ziele, Erwartungen, Hobbies…). Das Gleiche machen auch die Jugendlichen. Dann wird versucht, gute Paare zu finden. Beim ersten Treffen wird eine Art „Vertrag“ unterschreiben, in dem Punkte, Anzahl und Häufigkeit der Treffen, Umgang mit Absagen, gemeinsame Zielsetzungen und Erwartung usw. definiert werden. Wir bemühen uns, dass beide Seiten sehr offen sprechen, um Enttäuschungen möglichst zu vermeiden. Manche Jugendliche haben z.B. die Erwartung, dass sie sich täglich treffen, das wollen wir gleich zu Beginn klären. Die ersten drei Treffen finden in unseren Räumlichkeiten statt, das erhöht den Erfolg und wir stehen für Rückfragen zur Verfügung. Danach bleibt es den Paaren selbst überlassen.


wb-web: Wie kommen Sie zu den Mentorinnen und Mentoren?

Mühlenburg: Über Mundpropaganda von bestehenden Mentoren, über Social Media und Artikel, die über uns geschrieben wurden. Manchmal suchen wir auch ganz gezielt nach Mentoren, wenn wir z.B. jemanden haben, der KFZ-Mechaniker werden möchte. Die Jugendlichen werden uns von kooperierenden Organisationen und UMF-Wohngemeinschaften (WGs unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge) vermittelt. Der Bedarf von Seiten der Jugendlichen ist leider viel größer als unser Angebot – da gilt dann „first come, first served“, und es gibt eine Warteliste.


wb-web: Inwieweit spielt das Erlernen der deutschen Sprache im Mentoringprozess eine Rolle?

Mühlenburg:  Alles, was wir anbieten, passiert auf Deutsch. Die Mentorinnen und Mentoren sprechen mit den Jugendlichen Deutsch. Letztes Semester war es ein Wunsch, einen  Abend über Deutschlernen anzubieten. Sie wünschten sich Arbeitsblätter, um ihre Schützlinge beim Deutschlernen zu unterstützen. Aber die DaZ-Lehrerin  hat ihnen erklärt: „Das braucht ihr nicht. Die Jugendlichen besuchen einen Deutschkurs - ihr müsst keinen Kurs machen. Es ist besser, ihr unternehmt etwas mit ihnen und sprecht dabei Deutsch – so lernt man die Sprache. Gebt ihnen nicht fünf Übungsblätter, sondern geht lieber mit ihnen einkaufen, sagt „das ist eine Tomate“ und so lernen sie die Sprache."


wb-web: Dürfen nur Jugendliche aus den Programmen an den Deutschlernkursen teilnehmen?

Mühlenburg: Nein, unsere Deutschangebote stehen allen offen. Wir bieten Deutschkurse in drei Niveaus Anfänger, Mittelstufe, Fortgeschritten – sowie Konversationskurs A1/A2; B2 an. Die Nachfrage ist sehr groß. 2017 bieten wir jetzt monatlich einen liela-Kurs (Methode Neues Lernen – Liechtenstein Languages)  an. Unser Schwerpunkt ist die Freude am Lernen und das Sprechen. Der Bedarf ist sehr groß, insbesondere für  (noch) nicht anerkannte Flüchtlinge.


wb-web: Was ist für Sie das Besondere an the Connection?

Mühlenburg: Die Arbeit im Café: denn die Jugendlichen brauchen keine Vorkenntnisse, nur motiviert sollten sie sein. Sie sollen eine Chance erhalten. Man sieht in den sechs Monaten, wie sich die Jugendlichen entwickeln. Wir haben viele, die am Anfang sehr schüchtern sind. Die Betreuerinnen oder Betreuer fragen oft, welches Deutschniveau sie brauchen, und wir sagen, keines, wir schaffen das schon. Man sieht, wie sich die „Neuen“ nicht trauen, die Bestellung aufzunehmen und andere vorschicken. Es wird ihnen schrittweise die Angst genommen, Deutsch zu sprechen und sie werden selbstbewusster. Mit der Zeit werden sie immer selbständiger, sind stolz darauf, dass sie auch schon allein im Café arbeiten können und schulen dann die nächsten Jugendlichen ein. Besonders ist auch, dass die andere Seite, die Kundinnen und Kunden, die Jugendlichen kennenlernen. Dass sie nicht nur aus der Zeitung über sie erfahren, sondern mit ihnen reden können, in Kontakt kommen. Wir haben viele Mentoren, die Gäste im Café waren. Für beide Seiten ist es wichtig, einander kennenzulernen.


wb-web: Wo liegen die größten Herausforderungen?

Mühlenburg: Bei den Jugendproblemen, jenen,  die alle Jugendlichen haben, nicht primär weil sie geflüchtet sind. Sie sind in der Pubertät: Sie haben keine Lust, die Schule fertig zu machen, sie fangen etwas an und brechen es wieder ab. Wir arbeiten gerade auch in einem Projekt, in dem einheimische Jugendliche mit den Geflüchteten arbeiten, und es sind dieselben Probleme: auch die Einheimischen kommen zu spät oder haben keine Lust.

Wir begleiten Jugendliche durch die Höhen und Tiefen, unterstützen sie dabei, zu erkennen, was sie wollen und helfen ihnen, die Sache durchzuziehen. Wir unterstützen sie auf ihrem Weg zum Pflichtschulabschluss und danach eine Schnupperpraxis oder ein Praktikum machen, damit sie eine Vorstellung über den Beruf entwickeln. Wenige haben konkrete Vorstellungen. Es ist einfach schwierig, eine Lehrstelle zu finden. Man muss viele Bewerbungen abschicken, für die Bewerbungsgespräche trainieren. Viele unserer Jugendlichen trauen sich das nicht zu. Selbstbewusstsein ist besonders wichtig für die Bewerbungsgespräche, das versuchen wir ihnen u.a. durch die Arbeit im Café zu geben.


wb-web:  Was sind Ihre nächsten Schritte?

Mühlenburg: Wir stehen in Verhandlungen mit Partnercafés. Diese sollen die Jugendlichen nach einer einmonatigen Einstiegsphase in unserem Café für fünf Monate einstellen. Wir bieten den Rahmen: Deutschkurse, Mentorenbegleitung und  stehen als Ansprechpartner bei Problemen zur Verfügung. Das wäre toll, so könnten wir das Angebot um ein Vielfaches verbreitern, ohne selbst immer mehr Cafés aufzumachen zu müssen.


Foto: Copyright Valerie Mühlenburg

CC BY SA 3.0 DE by Angelika Güttl-Strahlhofer für wb-web.de

Valerie Mühlenburg, Gründerin des Vereins the Connection,  der seit  fünf Jahren  junge Geflüchtete unterstützt, einen Einstieg in den Beruf zu finden.