Erfahrungsbericht

Deutsch unterrichten als Ehrenamtler – geht das? 

„Nicht nur didaktische Befähigung, auch Empathie, Geduld und Freude helfen, wenn man Flüchtlingen Deutschunterricht geben will“, so Carlo Klauth, der sich als ehrenamtlicher Deutschlehrer versucht hat. Trotz Bedenken, ob er dazu überhaupt in der Lage ist, hat er es ausprobiert und zu seiner eigenen Freude festgestellt, dass es funktioniert.  

Carlo Klauth

Hundertausende Menschen sind auf der Flucht vor Krieg, Verfolgung oder Hunger. Sie kommen in unser Land, und auch wenn viele nicht dauerhaft hier bleiben werden, wird sich unser Land mit ihnen verändern. Wie gut ein zukünftiges Zusammenleben gelingen wird, liegt nicht nur in den Händen von Politikern, sondern auch bei jedem Einzelnen. Mit dieser festen Überzeugung stellte sich mir im letzten Jahr die konkrete Frage: Was kann ich denn selber hier und jetzt tun, wie kann ich vor Ort helfen? Spontan haben wir Kleidung und Spielzeug gespendet und danach die offene Frage an die Beauftragte der Kommune gestellt: Was brauchen die Flüchtlinge vor Ort? Antwort: vor allem Wohnraum, Dolmetscher und Deutschkurse.

Klare Sache, Wohnraum habe ich nicht zur Verfügung – aber als studierter und promovierter Philologe kenne ich mich doch mit Sprache aus. Als Romanist verfüge ich aber nicht über relevante Sprachkenntnisse und bin damit als Übersetzer unbrauchbar. Erfahrungen mit der Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache habe ich zwar während meines Auslandszivildienstes sammeln können, wo ich Jugendlichen wichtige Wörter und simple Satzstrukturen mit mäßigem Erfolg beigebracht habe. Dies geschah jedoch ohne jegliche pädagogische Kenntnisse und Konzepte und liegt zudem auch lange zurück.

Lehrerfahrungen habe ich später an der Universität gesammelt und mir dabei zumindest rudimentär didaktische Fähigkeiten angeeignet. Es ging in meinen Seminaren aber nicht um Sprachvermittlung, sondern um akademische Lehre im Bereich der Literaturgeschichte. Also, keine wirklichen Erfahrungen mit Deutsch als Fremdsprache und keine pädagogische Fachkenntnisse.

All diese Überlegungen und Bedenken beiseite schiebend wollte ich als „Deutschlehrer“ zur Verfügung stehen. Gut koordiniert durch die Gemeinde gibt es bei uns verschiedene dezentrale Angebote für die Flüchtlinge, Deutsch zu lernen: Konversation im Sprachcafé des Jugendheims, Deutschkurse im Tennisclub, Sprachunterricht getragen von Kirchengemeinden etc. Mit Verwunderung stellte ich fest, dass es in diesen Bereichen zu viele Freiwillige gibt und ich bei mehreren Trägern in der Region anfragen musste, ohne dass sich Einsatzmöglichkeiten boten.

Ich hatte mir mein Engagement einfacher vorgestellt und bin dann spontan zu einem der Deutschkurse hingefahren. So saß ich am Mittwochabend auf einem kleinen Stuhl in einer Grundschule und war beeindruckt. Es gab zwei parallele Klassen, getrennt in Anfänger und Fortgeschrittene, mit circa 15 Deutschschülern. Die Klassen bestanden hauptsächlich aus Jungen und jungen Männern, im Fortgeschrittenenkurs waren aber auch eine Frau und ein Mädchen.

Bei den Anfängern gab es ein 2:1‐Verhältnis an Flüchtlingen und Freiwilligen wie mir. Koordiniert wurde der Unterricht hier von einer jungen Grundschullehrerin, die sehr strukturiert die Konversation, die Einzel‐ und die Gruppenarbeit anleitete.

Zunächst wurden verschiedene Arten der Vorstellung und Begrüßung wiederholt: „Guten Tag“... „Ich heiße“... „Ich komme aus“... „Wie heißt Du“. Der Jahreszeit geschuldet schloss sich Vokabular rund um die Adventszeit und Weihnachten an: „Weihnachtsmarkt“, „Christbaum“ oder „Kirche“, aber auch Sätze wie „Ich bin Christ“, „Ich bin Moslem“ oder „An Weihnachten gehen viele Menschen in die Kirche“. In Kleingruppen wurde dann mit uns die Aussprache geübt und anhand von Arbeitsblättern wurden Sätze mit diesen Wörtern gebildet. Da die Flüchtlinge aus unterschiedlichen Ländern kamen, konnten Sie sich nur teilweise in ihren Muttersprachen weiterhelfen. Einige nahmen zum Verständnis und Nachfragen auch Englisch zur Hilfe. 

Hände die mit der Weltkarte bemalt sind

Teilnehmende aus unterschiedlichen Ländern lernen gemeinsam Deutsch. (Bild: pixabay.com, CC0)

Die Herangehensweise war so praxisorientiert, die Vermittlungsbemühungen so pragmatisch und der Lerneifer so groß, dass meine Zweifel an der eigenen Befähigung verflogen und ich mit meinen Lernpartnern aus Syrien und Mazedonien „Weihnachtsmarkt“ über „Supermarkt“ erschließen und die Tiere im Krippenspiel geräuschvoll erklären konnte.

Anders war dies jedoch im Fortgeschrittenenkurs, den zwei Lehrerinnen gaben und in dem ein paar wenige Freiwillige als „Verstärker“ fungierten.  Zunächst vorgesprochen, dann im Dialog, wurden Alltagssituationen geübt: „Wo finde ich das Rathaus“,  „Können Sie mir sagen, was das heißt“ oder „Ich bin schon seit drei Monaten in Deutschland und lerne gerade Deutsch, und woher kommst Du?“ Dann folgten Übungen aus einem Lehrbuch für Grundschüler und ein Lernspiel, das für viel Fröhlichkeit sorgte.

Die Freiwilligen waren hierbei weniger Lehrende, sondern Teil des Kurses. Die Stimmung war in beiden Kursen heiter, die Lernbereitschaft der Flüchtlinge und der Einsatz der freiwilligen Pädagogen und Nicht‐Pädagogen waren sehr hoch.

Auch wenn ich mein Engagement aus zeitlichen Gründen nicht weiterführen konnte, bleibt der positive Eindruck einer gut gemeinten und auch gut gemachten Sprachvermittlung. Jedoch wäre dies ohne die professionelle Anleitung der Lehrerinnen wahrscheinlich nicht möglich gewesen. Es bleibt auch die Selbsterkenntnis, dass neben didaktischer Befähigung auch pädagogische Sekundärtugenden wie Empathie, Geduld und Freude hilfreich sein können.

Dr. Carlo Klauth ist Geschäftsführer des ProfessionalCenters der Universität zu Köln. Durch seinen Schüleraustausch und Freiwilligendienst in Kanada und Chile sowie bei längeren Studien- und Forschungsaufenthalten in Spanien und Mexiko hat er selbst Erfahrungen mit Fremdheit und Verständigungsproblemen gemacht.  


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