Handlungsanleitung

Gruppenbildende Aktivitäten richtig einsetzen 

Wie gut Gruppen- bzw. Teamprozesse funktionieren, hängt insbesondere von der Zusammensetzung und der Entwicklung der Gruppe ab. Denn auch Gruppen und ihre Mitglieder entwickeln sich weiter. Daher gibt es in den verschiedenen Phasen des Gruppenprozesses einige Herausforderungen für die pädagogische Begleitung. Rollen- und Persönlichkeitseigenschaften der Mitglieder können förderlich, aber auch hinderlich für den Erfolg sein. Dieser Beitrag zeigt auf, worauf in der Bildungsarbeit mit Geringqualifizierten besonders zu achten ist. In diesem Beitrag gehen wir sowohl auf die Zusammensetzung von Gruppen, den Prozess von der Gruppe zum Team und die Phasen der Teamentwicklung in Lerngruppen ein. Abschließend thematisieren wir, wie Störungen im Teamprozess vorgebeugt werden kann.

Männer beim Rugby

Zusammensetzung von Gruppen

Idealerweise werden Teams so zusammengesetzt, dass unterschiedliche Fachleute mit jeweils verschiedenen Stärken und Spezialgebieten aus unterschiedlichen Hierarchieebenen sich gegenseitig ergänzen. In Lerngruppen mit Geringqualifizierten spielt dieses Prinzip zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Denn in der Lerngruppe haben alle den gleichen Status. Gleichwohl bringen sie unterschiedliche Erfahrungen und Kompetenzen mit. Diese werden aber erst nach und nach sichtbar. Sie können zu einem späteren Zeitpunkt für die Zusammensetzung heterogener Teams herangezogen werden.

In der Anfangsphase steht das Kennenlernen im Vordergrund. Deshalb sollte die Zusammensetzung öfter wechseln und auch nach verschiedenen Kriterien erfolgen. So können die Lernenden viel voneinander erfahren. Sie können persönliche Sympathien und Antipathien herausfinden und ausprobieren, wer mit wem gut kann. Bei Geringqualifizierten, insbesondere wenn sie schon lange arbeitslos sind, ist häufig ein starkes Gefühl von Misserfolg und Versagen bezogen auf das bisherige Leben vorhanden. Durch den Austausch untereinander und durch das gemeinsame Arbeiten an bestimmten Themen wächst langsam aber sicher die Einstellung, dass – bei aller Unterschiedlichkeit der individuellen Biografie – alle in irgendeiner Weise schlechte Erfahrungen gemacht haben und sie im gemeinsamen Lernprozess daran arbeiten können, dass das Leben für sie besser wird. In der Anfangsphase werden somit Stärken und Persönlichkeitseigenschaften deutlich, die sich förderlich oder hinderlich für den Gruppenprozess auswirken könnten und die bei der Bildung fester Gruppen berücksichtigt werden sollten.

Zur Gruppenbildung eignen sich verschiedene Methoden. Einige sollen im Folgenden vorgestellt werden.

Zufällige Gruppenbildung

Die einfachste Methode: Es werden drei Kleingruppen gebildet. Die Teilnehmenden der Gesamtgruppe zählen durch, immer bis drei (oder vier, oder fünf, wenn drei bis fünf Gruppen gebildet werden). Diejenigen, die „eins“ gezählt haben, bilden die Gruppe 1 usw. Diese Form der Gruppeneinteilung gewährleistet eine willkürliche Mischung. Befreundete oder sich gegenseitig kennende Teilnehmende, die nebeneinander sitzen, finden sich in verschiedenen Gruppen wieder.

Dieses Vorgehen eignet sich besonders dann, wenn die Gruppen das gleiche Thema bearbeiten. Die willkürliche Zuordnung führt immer wieder zu anderen Zusammensetzungen. Sie fördert das Kennenlernen und das Herausfinden von guten Arbeits- bzw. Lernbeziehungen.

Etwas bewegter geht es beim Farbenspiel zu. In der Mitte liegen verschiedenfarbige Mannschaftsbänder. Die Teilnehmenden wählen jeweils ein Band aus und ordnen sich der Gruppe mit der gleichen Farbe zu. Das Spiel funktioniert auch mit verschiedenfarbigen Bonbons oder Luftballons. Wenn Sie dabei die Kommunikation fördern möchten, zerschneiden Sie mehrere Bilder (Anzahl der Gruppen) in so viele Teile wie Gruppenmitglieder gebraucht werden. Die Puzzleteile werden gemischt und verteilt bzw. als Los gezogen. Die Teilnehmenden müssen nun die zu ihrem Bild passenden Puzzleteile bzw. Gruppenmitglieder finden.

Gruppenbildung nach Interesse

Es werden Gruppen zu verschiedenen Themen gebildet. Die Themen stehen auf einer Pinnwand. Die Teilnehmenden erhalten kleine runde Karten aus dem Moderationskoffer, schreiben darauf ihre Namen und ordnen sie dem von ihnen gewünschten Thema auf der Pinnwand zu. Die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung wird größer, wenn die Lernenden ihr Thema selbst auswählen dürfen.

Es geht auch einfacher: die Pinnwände zu den verschiedenen Gruppenthemen stehen im Raum verteilt. Jedes Gruppenmitglied bewegt sich zu der Pinnwand mit dem Thema seiner Wahl.

Nach der Zuordnung sollte die Arbeitsfähigkeit der Gruppen geprüft werden. Die Gruppen sollten wenigstens drei Personen umfassen und nicht größer als acht Personen sein. Gering besetzte Gruppen bekommen die Gelegenheit, Lernende aus anderen Gruppen für ihr Thema abzuwerben. In zu stark besetzten Gruppen kann gefragt werden, wer sich auch für ein anderes Thema erwärmen kann.

Feste Gruppenbildung mit heterogenen Mitgliedern

Wenn feste Lerngruppen oder Projektteams gebildet werden, sollte auf eine gute Mischung geachtet werden – leistungsstarke und weniger leistungsstarke, Männer und Frauen, Mitglieder verschiedener Kulturen, aktivere und zurückhaltendere Menschen finden sich in gemischten Gruppen zusammen. Die Gruppenmitglieder erleben die Vielfalt der individuellen Kompetenzen. Eigene Schwächen spielen für den Gruppenprozess eine untergeordnete Rolle, weil sie durch die Stärken der anderen ausgeglichen werden.

Die Einteilung erfolgt durch die Lehrenden, nachdem in vorangegangen Gruppenphasen beobachtet worden ist, wer gut mit wem zusammenarbeiten kann. Fachliche Gesichtspunkte können ergänzt werden. In jeder Gruppe sollte mindestens eine Person sein, die mit dem zu bearbeitenden Thema vertraut ist.

Von leistungshomogenen Gruppen ist eher abzuraten, es sei denn, es werden für bestimmte Lernphasen die fortgeschrittenen Lernenden mit Zusatz- bzw. Differenzierungsaufgaben beauftragt und gleichzeitig Gruppen gebildet, die Stoff nacharbeiten.

Von der Gruppe zum Team

Feste Gruppenzusammensetzungen, die den Charakter von Lernteams haben (s.o.), entwickeln sich erst nach und nach. Gruppen durchlaufen in aller Regel verschiedene Phasen, bis sie sich zu gut funktionierenden und leistungsfähigen Teams entwickeln. Wie Lehrende die Entwicklung dieser Phasen produktiv beeinflussen können, ist im Wissensbaustein „Gruppendynamik“  anschaulich beschrieben.

Die Tabelle „Phasen der Teamentwicklung in Lerngruppen“ nach Klippert (Abb. 1) gibt einen Überblick, welche Methoden in den einzelnen Phasen besonders gut geeignet sind.

Phasen der Teamentwicklung in Lerngruppen

Phase Zielsetzungen Mögliche Methoden
Forming

Die Gruppenmitglieder lernen sich gegenseitig kennen.

Sie besprechen die Ziele der Gruppen- bzw. Teamarbeit.

Sie klären die Vorzüge der Gruppen- bzw. Teamarbeit.

Sie entwickeln ein Gruppenlogo oder eine Gruppenfahne

etc.

Kennenlernen-Karussell (Doppelkreis)

Gruppen- bzw. Partnerinterviews

Gestaltung eines Gruppenlogos

Werbeplakat zur Gruppenarbeit erstellen

Fragebogen zur Gruppenarbeit bearbeiten

etc.

Storming

Die Lernenden bilanzieren ihre Gruppenarbeit.

Sie arbeiten Probleme heraus.

Sie kritisieren sich gegenseitig.

Sie ergründen Widerstände und beheben sie.

etc.

Analyse einer misslungenen Gruppenarbeit

Redewendungen beurteilen

Feedback zu einer Gruppenarbeit geben

Selbst- und Fremdkritik üben

Videomitschnitt analysieren

etc.

Norming

Die Lernenden suchen nach Regeln.

Sie klären Verfahrensweisen ab.

Sie erarbeiten Regelkataloge.

Sie klären die Aufgaben der Regelwächter, Zeitwächter etc.

Regelplakat gemeinsam erstellen

Fahrplan für die Gruppenarbeit entwickeln.

Präsentationstipps erarbeiten

Arbeit der Regelwächter klären.

Gruppenvertrag erstellen

etc.

Performing

Die Lernenden arbeiten regelgebunden.

Sie planen und organisieren die Gruppenarbeit.

Sie lösen die Gruppenaufgaben.

Sie reflektieren die Gruppenabläufe und Ergebnisse.

etc.  

Regelgebundenes Gruppenpuzzle

Regelgebundenes Brainstorming

Regelgebundene Gruppenrallye

Regelgebundenes Üben in Teams

Regegebundene Kooperationsspiele etc.

Abb. 1: Tabelle nach Klippert, H. (2010): Heterogenität im Klassenzimmer. (2. Auflage). Weinheim/Basel: Beltz, S. 134.

Störungen im Teamprozess vorbeugen

Im Laufe eines Teamentwicklungsprozesses bilden sich Persönlichkeitsmerkmale und Rollen deutlicher heraus. Diese Rollen zu kennen, kann förderlich für die Teamentwicklung sein und dazu beitragen, Störungen in der Zusammenarbeit zu beseitigen. So gibt es häufig die „Bestimmer“, die sofort alle Aktivitäten an sich reißen und andere dominieren. Es gibt die „Nachahmer“, die selten eigene Beiträge liefern, dafür aber anderen folgen. Es gibt die „Stillen“, die sich wenig an lautstarken Debatten beteiligen, dafür aber im geeigneten Moment die entscheidenden Ideen liefern. Es gibt die „Kommunikativen“, die darauf achten, dass alle einbezogen werden und viele andere Rollen mehr.

Einer Verfestigung von Rollen kann entgegengewirkt werden, indem Aufgaben und Rollen öfter wechseln: Jeder ist mal Teamchef, muss mal die Ergebnisse aufschreiben usw. Die Gruppenmitglieder können sich in unterschiedlichen Rollen erproben und herausfinden, für welche Aufgaben sie besonders gut geeignet sind. Kommt es dennoch zu Störungen im Gruppenprozess, können die einzelnen Rollen hinsichtlich ihrer nützlichen, aber auch ihrer störenden Anteile hinterfragt werden. So kann zum Beispiel der „Macher“, der sich sehr stark einbringt, zielorientiert arbeitet und andere zu motivieren versucht, von einzelnen Gruppenmitgliedern als hinderlich angesehen werden, indem sie sich in ihren eigenen Ideen und in ihrem Engagement gebremst fühlen. „Ein Team kann seine Ressourcen nur dann optimal nutzen, wenn die Balance der Teamrollen gegeben ist. So kann ein Team noch so gute Ideen haben und Maßnahmen planen, fehlt aber der „Completer-Finisher“ (Perfektionist), der auf Fristen und Zeitpläne hinweist, wird das Geplante nicht bzw. nicht fristgerecht umgesetzt.“ (Alf-Jähnig u. a. 2008)

Die zu jeder Rolle passenden positiven Eigenschaften und Schwächen können die Teammitglieder motivieren, ihre Stärken und besonderen Fähigkeiten produktiv in den Teamprozess einzubringen. Ihre Schwächen zu kennen hilft Missverständnisse und Meinungsverschiedenheiten nachzuvollziehen und auszuräumen. „Die Kenntnis über die eigene Teamrolle und die besonderen Fähigkeiten der Kollegen ermöglicht es, realistische Erwartungen zu den Beiträgen einzelner Teammitglieder zu entwickeln und diese mit den Bedürfnissen der Teamaufgabe abzugleichen. Ferner können typische Muster im Teamverhalten erkannt und gezielt genutzt bzw. beeinflusst werden.“ (Alf-Jähnig u. a., 2008)

CC BY-SA 3.0 DE by Christoph Eckhardt für wb-web


Quellen

Alf-Jähnig, R., Hanke, Th.,  Preuß-Scheuerle, B. (2008). Teamcoaching. Konzeption, Methoden und Praxisbeispiele für den Teamcoach. Bonn: MangerSeminare Verlags GmbH, S. 68-79. 

Belbin, R. M. (1981): Management-Teams: why they succeed or fail. Oxford: Butterworth-Heinemann.

Kalm, R. (2014). Mitarbeitermotivation und Arbeitseffizienz steigern – durch Gruppenarbeit und Regeln im Team. Vorest Blog

Klippert, H. (2010): Heterogenität im Klassenzimmer. (2. Auflage). Weinheim/Basel: Beltz.


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