Handlungsanleitung

Texte und Bilder als Flipped Classroom-Materialien 

Zu Flipped Classroom-Konzepten gehört, dass den Teilnehmenden zur Vorbereitung Dokumente zur Verfügung gestellt werden. In den Beschreibungen von Flipped Classroom ist oft nur von Video- und Audio-Dateien die Rede. Das muss aber nicht sein, denn auch Text, Bilder und Aufgaben eignen sich gut. Hier werden praxiserprobte Möglichkeiten zur Erstellung von Dokumenten vorgestellt, bei denen es nichts zu hören gibt, aber trotzdem genug passiert.

Moderne didaktische Methoden werden oft mit Multimedia-Inhalten verbunden. Häufig haben die aber den Nachteil, dass sie oft nur linear genutzt werden können. Damit ist gemeint, dass jemand mit Vorkenntnissen im Thema sich bei Videos und Audio-Dateien schlecht an die Stelle bringen kann, die für ihn geeignet ist. Man muss also das ganze Video anschauen oder die ganze Audiodatei anhören, um die interessanten Stellen nicht zu verpassen. Selbst bei gut strukturierten Videos können die Informationen so wenig geeignet sein, dass der Lernende sich abwendet. Auch das Lern- und Verstehenstempo lässt sich hier schlechter anpassen als bei einem Textdokument, bei dem das Auge einfach verharren oder überfliegen kann. Aus diesen Gründen kann es sinnvoll sein, auch andere Arten von Dokumenten zu wählen.

Jedes Flipped-Classroom-Paket für eine Lerneinheit besteht aus den Materialien sowie konkreten Fragen und Aufgaben. Beides muss auf die Bedürfnisse der Teilnehmendengruppe angepasst werden. Sowohl Überforderung als auch Unterforderung kann negative Auswirkungen auf die Motivation haben. Sind die Aufgaben zu einfach oder zu schnell zu erledigen, haben die Teilnehmenden vielleicht den Eindruck, nichts zu lernen; sind die Aufgaben zu umfangreich, werden sie vielleicht auf die Bearbeitung ganz verzichten und im schlimmsten Fall den Kurs verlassen. Der Lehrende sollte eine Zeit angeben, die die Bearbeitung ungefähr dauern sollte, damit sich die Teilnehmenden darauf einstellen können.

Im Folgenden werden drei Materialtypen mit ihren Besonderheiten in Bezug auf Flipped Classroom-Konzepte vorgestellt: Texte, Bilder und Aufgaben. Bei den Aufgaben wird hier bewusst nur auf inhaltliche Transferaufgaben Bezug genommen, da bei Single- oder Multiple-Choice-Tests oft nur Faktenwissen abgefragt werden kann .

Worauf muss man beim Einsatz von Texten achten?

Auf einem Tisch liegen Blätter mit Texten und Zahlenreihen, eine Computermaus, ein Stift und eine Tasse.

Texte können als Flipped Classroom-Materialien dienen. (Bild: stevepb/pixabay.com, CC0)

  • dass sie nicht zu umfangreich sind.
    Die Teilnehmenden sollten das Gefühl haben, die Texte auch zusätzlich zu alltäglichen Verpflichtungen lesen zu können. Für einen Kurs, der sich nicht mit beruflichen Inhalten befasst, sollte ein Text bei durchschnittlichem Lesetempo in max. 20 Minuten verstehbar sein (bei dieser Angabe handelt es sich um einen sehr groben Richtwert).
  • dass sie nicht zu sehr nach Hausaufgaben aussehen.
    Den Teilnehmenden sollte der unmittelbare Nutzen der Texte für die Veranstaltung deutlich gemacht und das Besondere und Interessante an den Texten sollte betont werden. Idealerweise sind die Texte auch außerhalb des Kurses für die Teilnehmenden spannend – etwa weil sie eine Nähe zu persönlichen Interessen aufweisen. Fragen Sie Ihre Teilnehmenden einfach danach, was sie interessiert.
  • dass sie zum Kenntnisstand der Teilnehmenden passen.
    Das Niveau und das Fachvokabular muss sich an den Teilnehmern orientieren, so dass sich niemand über- oder unterfordert fühlt (soweit man das ausschließen kann). Beispiel: Fachtexte in englischer Sprache sollten nur verwendet werden, wenn der Lehrende sicher ist, dass alle mit dem Lesen solcher Texte vertraut sind.
  • dass dazu Fragen gestellt werden, die das Lesen der Texte erfordern.
    Die Fragen sollen so formuliert werden, dass damit Transferwissen abgefragt wird, zu dem die Inhalte der Texte die Grundlage bilden.
  • dass sie aus Quellen stammen, denen Teilnehmende vertrauen.
    Die Quellen der Texte sollten – sofern sie nicht offensichtlich nicht – deutlich gemacht werden. Bei zweifelhaften Quellen sollte begründet werden, warum sie ausgewählt wurden.

Worauf muss man beim Einsatz von Bildern achten?

Auf einem Tisch liegen ein Blatt mit Zeichnungen und Zeichenschablonen.

Bilder und Infografiken eignen sich ebenfalls für Flipped Classroom. (Bild: ashleyma/pixabay.com, CC0)

  • dass sie genug Inhalt und Aussagekraft bieten, um sich intensiv damit zu beschäftigen.
    Bilder, z.B. Info-Grafiken, müssen viele Informationen beinhalten und selbsterklärend sein, sonst eignen sie sich nicht für dieses Konzept.
  • dass sie Konfliktpotenzial bieten: z.B. durch eine provokante Darstellung, durch eine erwartungswidrige Kernaussage.
    Die Inhalte der Bilder müssen das Wissen der Teilnehmenden nicht nur erweitern, sondern auch in Frage stellen. Daraus ergeben sich Anschlüsse für weiteres Lernen.
  • dass sie komplex sind. 
    Komplexität bedeutet hier, dass es viele einzelne Informationen gibt, die nicht nur die kognitive Herangehensweise ermöglichen, sondern z.B. auch Stimmungen vermitteln.

Bei Aufgaben wird hier bewusst nur auf inhaltliche Transferaufgaben Bezug genommen, da bei Single- oder Multiple-Choice-Tests oft nur Faktenwissen abgefragt werden kann. Transferaufgaben sind gekennzeichnet dadurch, dass das Wissen zur Lösung angewendet werden muss und nicht nur wiedergegeben, oder dass Wissen in einem anderen als dem gewohnten Kontext abgefragt wird.

Worauf muss man bei der Gestaltung von Aufgaben achten?

  • dass sie von allen Teilnehmenden bewältigt werden können
    Über- und Unterforderung ist in qualitativer und in quantitativer Hinsicht zu vermeiden. Um dies sicherzustellen, können verschiedene Methoden der Binnendifferenzierung angewendet werden.
  • dass die Ergebnisse für die Lehrveranstaltung oder für den individuellen Lernerfolg nutzbar sind.
    Entweder sollten die Ergebnisse direkt in der Veranstaltung für den nächsten Lernschritt verwendet werden können oder die Teilnehmenden sollen durch die Bewältigung das Gefühl haben, ihren individuellen Zielen näher gekommen zu sein, weil sie Fähigkeiten und Kompetenzen erweitern.
  • dass sie einen hohen Verbindlichkeitscharakter haben
    Es muss deutlich gemacht werden, dass alle Teilnehmenden die Aufgaben machen sollen. Diese Verbindlichkeit soll durch den äußeren Rahmen hergestellt werden, das heißt in der Praxis, dass möglichst bei allen einzeln der Aufgabenstatus nachgehalten wird. Das kann bspw. dadurch passieren, dass die Lösungen zu den Aufgaben bei der Veranstaltung einzeln abgefragt werden oder dass individuelle Erinnerungen per E-Mail verschickt werden.
  • dass klar kommuniziert wird, in welcher Form die Ergebnisse festzuhalten sind.

 

Die Aufgaben sollten in jedem Fall schriftlich gelöst werden, um die inhaltliche Auseinandersetzung zu fördern. Eine Einsendung per E-Mail ist genauso möglich wie das Mitbringen der Lösungen zur nächsten Veranstaltung. Das Mitbringen der Lösungen hat den Vorteil, dass sich der Lehrende auch erst zum nächsten Termin des Kurses wieder damit beschäftigen muss.

Fazit

Eine gute Materialauswahl ist ein Erfolgsfaktor für Flipped Classroom-Konzepte, deswegen sollte darauf besonders Wert gelegt werden. Die wichtigsten Aspekte sind die Orientierung an den Erwartungen und Fähigkeiten der Teilnehmenden und die Bewältigbarkeit innerhalb des geplanten Zeitfensters. 

 

CC BY-SA 3.0 DE by Maria-Christina Nimmerfroh für wb-web


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