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Themenzentrierte Interaktion – TZI

Ein alter Hut oder noch immer topaktuell?

Die „Themenzentrierte Interaktion“ (TZI) ist kein neues Konzept. Ihre Grundannahmen und Regeln sind heute vielen bekannt und werden angewandt, ohne zu wissen, dass sie auf dem Konzept von TZI beruhen. In dem Konzept von Ruth Cohn, der Begründerin dieses Konzepts, geht es um vier Faktoren, die das Lernen in Gruppen beeinflussen. Es wird aber auch die Rolle des Lehrenden als Moderator und Begleiter thematisiert. Und nicht zuletzt führt die Anwendung von TZI dazu, dass sich die Lernenden aktiv einbringen.

DefinitionWas ist das?

Die Themenzentrierte Interaktion (TZI) wurde in den 1950er Jahren von der Psychoanalytikerin und Psychologin Ruth Cohn entwickelt. In der Erwachsenen- und Weiterbildung wird sie als grundlegendes pädagogisches Konzept genutzt, auf dem die didaktische und methodische Planung sowie auch die Durchführung von Veranstaltungen beruht. TZI ermöglicht mit seinen „Axiomen“, „Postulaten“ und dem „Vierfaktorenmodell“ den Rahmen für lebendige Weiterbildung und eine hohe Beteiligung der Teilnehmenden am Lernprozess und Lerngegenstand. 

GeschichteWoher kommt das?

Ruth Cohn hat TZI als pädagogisches Konzept auf den Erkenntnissen und Erfahrungen der Psychoanalyse entwickelt: „Die Themenzentrierte Interaktion dient Pädagogen (Eltern und Lehrern), Sozialarbeitern, Beratern, Psychotherapeuten und Gruppendynamikern dazu, sich selbst und ihre Gruppen zu leiten“ (Cohn, 1975, S. 8). Deutlich wird das auch durch den Titel ihrer 1975 erschienenen Aufsatzsammlung: „Von der Psychoanalyse zur themenzentrierten Interaktion. Von der Behandlung einzelner zu einer Pädagogik für alle“. TZI ist Teil der humanistischen Psychologie. Ruth Cohn wurde stark beeinflusst durch die Gestalttherapie und deren Begründer Fritz Perls, der klientenzentrierten Gesprächsführung, die Carl Rogers entwickelte sowie durch ihre eigene Ausbildung bei der Gruppenpsychotherapeutin Asya Kadi. 

MerkmaleWie geht das?

TZI beruht auf dem „Vierfaktorenmodell“, also der Annahme, dass jede Gruppe von vier Faktoren bestimmt ist:

  1. der Person (Ich),
  2. der Gruppeninteraktion (Wir),
  3. der Aufgabe (Es),
  4. dem Umfeld (Globe).

Diese vier Faktoren müssen in eine „dynamische Balance“ gebracht werden, die nicht statisch und nicht immer gleichgewichtig ist. Diese Balance herzustellen, ist die die Aufgabe der Lehrenden.


TZI Dreieck

Abbildung 1: Das Vierfaktorenmodell

Das zugrunde liegende Menschenbild von TZI spiegelt sich in den drei sogenannten „Axiomen“ wieder:

  1. Autonomie: Der Mensch ist eine psycho-biologische Einheit. Er ist auch Teil des Universums. Er ist darum autonom und interdependent. Die Autonomie des Einzelnen ist umso größer, je mehr er sich seiner Interdependenz mit allen und allem bewusst ist.
  2. Wertschätzung: Achtung gebührt allem Lebendigem und seinem Werden und Vergehen. Respekt vor dem Wachstum bedingt bewertende Entscheidungen. Das Humane ist wertvoll; Inhumanes ist wertbedrohend.
  3. Grenzen erweitern: Freie Entscheidungen geschehen innerhalb bedingender innerer und äußerer Grenzen. Eine Erweiterung dieser Grenzen ist möglich.

Weiterhin gibt es zwei „Postulate, die nicht als Regeln, sondern als Beschreibungen gedacht sind. Sie sind im Imperativ formuliert, um dazu aufzufordern, sich ihnen entsprechend zu verhalten.

  1. Sei Deine eigene Chairperson! Nimm jede Situation als Angebot für die eigene Entscheidung wahr.
  2. Störungen haben Vorrang bzw. nehmen sich Vorrang.

Um die Interaktion einer Gruppe zu unterstützen, gibt es darüber hinaus die „Hilfsregeln“. Deren Einhaltung soll helfen, aber nicht einengen.

  • Vertritt dich selbst in deinen Aussagen; sprich per „Ich“ und nicht per „Wir“ oder „Man“.
  • Wenn du eine Frage stellst, sage, warum du fragst und was deine Frage für dich bedeutet. Sage dich selbst aus und vermeide das Interview.
  • Sei authentisch und selektiv in deinen Kommunikationen! Mache dir bewusst, was du denkst und fühlst und wähle, was du sagst und tust.
  • Halte dich mit Interpretationen von anderen zurück. Sprich stattdessen deine persönlichen Reaktionen aus.
  • Sei zurückhaltend mit Verallgemeinerungen.
  • Wenn du etwas über eine andere Person sagst, sage auch, was es dir bedeutet, dass sie so ist, wie sie ist.
  • Seitengespräche haben Vorrang. Sie stören und sind meist wichtig. Sie würden nicht geschehen, wenn sie nicht wichtig wären.
  • Nur einer zur gleichen Zeit bitte! Wenn mehr als einer gleichzeitig sprechen will, verständigt euch.

Viele der Hilfsregeln sind allgemeinen Feedback-Regeln sehr ähnlich (Cohn, 1975, S. 124ff.).

HandlungsfelderWo brauche ich das?

TZI eignet sich für die Planung, Steuerung und auch für die Auswertung von Bildungsveranstaltungen. Bereits in der Planung kann man die vier Faktoren so berücksichtigen, dass es für jeden einzelnen Faktor genügend Raum gibt. Ein Ansatz bietet das in TZI zentrale Anliegen des lebendigen bzw. ganzheitlichen Lernens. Methoden kann man danach auswählen, ob durch sie sowohl Verstand, Intellekt und Gefühl angesprochen werden, eine kreative Bearbeitung des Themas möglich ist oder die Interaktion zwischen den Teilnehmenden gefördert wird.

Die Methoden oder das Konzept für eine Veranstaltung können mit den folgenden Fragen geprüft werden. Alle drei Aspekte sollten gleichwertig in die Planung und Durchführung einbezogen werden.

  • Sind die Interessen und Wünsche der Teilnehmenden ausreichend berücksichtigt?
  • Sorge ich durch meine Planung dafür, dass die Beziehungen unter den Teilnehmenden und mir konstruktiv ist?
  • Ist das Thema in meiner Planung passend berücksichtigt?


Leute arbeiten in einer Gruppe zusammen

Jede Situation ist ein Angebot für die eigene Entscheidung. (Bild: Emko Bos/flickr.com, CC BY-NC 2.0)

Während der Veranstaltung haben die Lehrenden die Verantwortung dafür, dass die vier Faktoren in Balance bleiben. Aber auch die Teilnehmenden „leiten“ mit. Durch das Postulat „Sei deine eigene Chairperson“ übernehmen alle die Verantwortung für den Verlauf der Veranstaltung. Ebenso kann es durch das Postulat „Störungen haben Vorrang“ dazu kommen, dass eine Veranstaltung einen anderen Verlauf nimmt. Durch die Interessen der Teilnehmenden kann das Thema einen neuen Schwerpunkt bekommen. Oder die gruppendynamischen Prozesse stehen eine Zeit lang sehr im Vordergrund.

Die Herausforderung für die Lehrenden besteht darin, dafür zu sorgen, dass all diese Themen zwar angemessenen, aber nicht zu viel Raum bekommen.


Service

Reflexionsfragen

Die Themenzentrierte Interaktion bietet vielfältige Ansätze für Lehrende in der Erwachsenenbildung. Vor allem in den Postulaten und Hilfsregeln stecken bekannte Grundlagen. Nach welchen dieser Regeln arbeiten Sie?

Literaturliste

  • Cohn, R. (1975). Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Stuttgart: Klett-Cotta.
    Wer sich mit TZI auseinandersetzen möchte, sollte sich mit diesem grundlegenden Werk von Ruth Cohn befassen.
  •  Bertels, G, Hater, K., Moog, M., & Schlemmer, S. (2015). Aufbruch, Begeisterung, Engagement: Die Anfänge der Themenzentrierten Interaktion in Deutschland. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erzählen. Bochum: Brockmeyer.
    Ein „Lesebuch“ über die Anfänge von TZI. Zeitzeugen berichten über erste Begegnungen mit TZI und Ruth Cohn. 

Quellen

Cohn, R. (1975). Von der Psychoanalyse zur Themenzentrierten Interaktion. Stuttgart: Klett-Cotta.

Bertels, G, Hater, K., Moog, M., & Schlemmer, S. (2015). Aufbruch, Begeisterung, Engagement: Die Anfänge der Themenzentrierten Interaktion in Deutschland. Zeitzeuginnen und Zeitzeugen erzählen. Bochum: Brockmeyer

Ruth Cohn Institute for TZI-International. Die wesentlichen Elemente des TZI-Konzepts. Abgerufen von www.ruth-cohn-institute.org/tzi-konzept.html

 Ruth Cohn Schule (2012). Themenzentrierte Interaktion. Abgerufen von

http://osz-ruth-cohn.de/schulportrait/ruth-cohn/themenzentrierte-interaktion-tzi#FN6


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